Nochmal eine ausführlichere Erklärung von jemand, der mal EMV-Zertifizierungen für PC-Mainboards (!) zu verantworten hatte... (ja, ich!) Das heißt, ich habe vom Mutterhaus in Fernost neue Boards bekommen, und sie hier einem Prüflabor zugeführt, die haben die Tests gemacht, und bei Fehlern musste ich diese in Zusammenarbeit mit den Entwicklern beheben, und das floss wiederum in die Serie.
Hier in Europa haben wir seit gut 15 Jahren sehr strenge EMV-Normen, die verhindern sollen, dass sich elektrische Geräte gegenseitig stören. Auch schon vorher gab es nicht ganz so strenge Gesetze dazu, und es konnte auch schon damals passieren, dass die Post (FTZ) mit einem Fahrzeug voller Antennen sich vor Häuser stellte, um dort zu messen, weil sich jemand über gestörten Fernseh/Radioempfang in seiner Nachbarschaft beschwert hat.Diese EMV-Normen umfassen neben den Störungen aus / in das Stromnetz auch Störstrahlung die die Geräte in die Luft absenden bzw. empfangen. Ersteres ist durch ein gutes Netzteil und vernünftige Erdung leicht in den Griff zu bekommen, das zweite nur durch Filter und Abschirmung des Geräts. Darauf beziehe ich mich nachfolgend.
Grundsätzlich ist jede Leiterbahn auf einer Platine und im Chip eine Antenne, kann Signale senden und Signale empfangen. Man muss hier unterscheiden zwischen dem Nutzsignal und dem Störsignal. Störsignale entstehen auf verschiedensten Wegen, durch Bauteilefehler oder durch Einstreuung (Induktion, Übersprechen) in die Leiterbahnen auf den Platinen und innerhalb der Chips. Eingestreut werden natürlich besonders gerne höherfrequente Signale, und derer haben wir im ST viele, nicht nur 8 Mhz, sondern auch die Taktsignale, aus denen die 8 MHz erzeugt werden, ohne in den Schaltplan zu gucken sehe ich da mindestens mal einen 16MHz-Takt, beim TT gar 32 Mhz, man denke auch an den Pixeltakt des Videochips und vieles weitere. All diese Signale werden auch in die Umgebung ausgesendet, und deswegen hat Atari viel Aufwand mit Blechteilen getrieben, um all das abzuschirmen, dafür ist die Strahlung innerhalb des Gehäuses um so höher, denn das geerdete Blech schließt die Strahlung nicht nur kurz, sondern reflektiert sie auch innerhalb des Gehäuses. Genauso wichtig ist es auch, die Elektronik des ST vor hochfrequenten Signalen anderer Geräte zu schützen, denn dadurch kann der Ablauf im ST durcheinander kommen. Auch an apprupt endenden Leiterbahnen, rechtwinkligen Abknickungen usw. folgen hochfrequente Signale nicht nur der Leiterbahn, sondern sie laufen auch wieder zurück (Reflektion). Dadurch und weitere Effekte, Hochfrequenz ist schwer zu verstehen..., entstehen überlagerte Frequenzen (sogenannte "Harmonische Vielfache", die einen vielfachen Takt des Ausgangssignal haben.
Man kann das in einer Badewanne annähernd nachvollziehen, Wellen erzeugen und gucken wie die vom Beckenrand zurücklaufen und sich gegenseitig überlagen, es entsehen Additionen mehrerer Wellen, doppelte Frequenzen und alles mögliche...
Wenn man sich nun solche EMV-Filterschaltungen anschaut, darf man nicht in Gleichstrom/-spannung denken, sondern man muss in Hochfrequenz denken. Als EMV-Filter werden da Bauteile eingesetzt, die sich bei Hochfrequenz genau anders herum verhalten, als bei Gleichspannung. (Auch 8 MHz ist für den Hochfrequenz-Techniker "Gleichspannung"!). Daher Spule und Kondensator.
Und jetzt nochmal: Jede Leiterbahn auf der Platine und in den Chips ist eine Antenne, sowohl in Sende- als auch Empfangsrichtung - gleichzeitig.
Spule: Ein Stück aufgewickelter Draht, bei Gleichspannung 0 Ohm. Bei Hochfrequenz induzieren die Wicklungen der Spule in die Wicklung eine Spannung ein, die ein genau umgekehrtes Potential zu der außen am Bauteil gerade anliegenden Spannung hat. Diese Induktion findet aber nur in dem Moment statt, wo die Potentialumschaltung statt findet, wenn die äußere Spannung wieder stabil ist, sieht die Spule wieder Gleichspannung und bildet einen Kurzschluß. Wenn gerade die äußere Spannung von rechts nach links wechselt, ist die gegeninduzierte Spannung von links nach rechts. Je höher die Frequenz der außen anliegenden Spannung ist, um so höher ist die Gegeninduktion, und um so öfter findet sie statt. Je höher die Frequenz, um so mehr steigt der sogenannte Blindwiderstand der Spule. Das heißt, hochfrequente Signale kommen da nicht durch. Wobei der Wert der Spule (gemessen in Henry) auch bestimmt, welcher Frequenzbereich durchkommt, und welcher nicht, denn je nach Verschaltun, Sichtweise usw. bildet die Spule zusammen mit der Leiterbahn (Widerstand...) einen Tief- oder Hochpass.
Kondensator: Zwei sehr nahe beieinander liegende Platten mit Dielektrikum dazwischen, welches isolierend wirkt. Bei Gleichspannung lädt sich der Kondensator in der Zeit tau=5*R*C fast vollständig auf, und es fließt nur noch ein winziger Kriechstrom, das heißt, ein sehr hoher Blindwiderstand. Bei hochfrequenter Wechselspannung kommt der Kondensator garnicht dazu, sich aufzuladen, weil er schon weit vorher von der anderen Seite wieder entladen wird. t=1/F ist viel kleiner als tau. Das heißt, für hochfrequente Signale ist hier kein Blindwiderstand zu sehen, das Signal kann ungehindert durch. Auch hier spielt die Kondensatorkapazizät eine Rolle, je kleiner diese, desto kleiner ist auch tau. Auch hier entsteht wieder je nach Sichtweise in die Schaltung hinein ein Tief- oder Hochpass.
Tiefpass: Lässt tiefe Frequenzen durch, Grenzfrequenz abhängig von C und H
Hochpass: Lässt hohe Frequenzen durch, Grenzfrequenz abhängig von C und H
Bandpass: Lässt mittlere Frequenzen durch, untere und oberer Grenzfrequenz abhängig von C und H
Bei Joysticksignalen ("Gleichspannung") reicht ein Tiefpass mit ein paar Kiloherz Grenzfrequenz (so schnell rollt auch keine Maus...), wenn man einen Netzwerkport oder USB abschirmen will, braucht man einen Bandpass, Grenzfrequenzen liegen zwischen 950 und 1050 (Gigabit) MHz bzw. 450 und 510 Mhz (USB 2.0) - man bedenke aber, LAN kann auch 10 und 100 Mbit, USB kann auch 11 MBit, man denke auch an USB 3.0, durch diese Bandpassfilter käme das nicht durch, das heißt, hier werden bei besseren Mainboards oder Netzwerkkarten entweder steuerbare oder mehrere fixe Bandpassfilter pro Signal parallel benötigt, das macht gerde EMV-Tests sehr kompliziert...
Schaut man sich nun die Filter im Atari-Joystickport an, sieht man einen einfachen Tiefpassfilter:
Signal am Chip - Spule - Kondensator gegen Masse - Spule - Ein/Ausgang
Die beiden Spulen sind im Signal in Reihe gegen den Ein/Ausgang geschaltet, und sollen wie man sieht, verhindern, das hochfrequente Signale zum Ein/Ausgang gelangen. Doch alleine das reicht nicht, in der Mitte werden diese hochfrequenten Signale über den Kondensator nochmal gegen Masse kurzgeschlossen. Das ist schon ziemlich optimal, aber immer noch für Hochfrequenz mit anderer Frequenz durchlässig, erst nach mehreren solchen Stufen ist Schluß. Denn jeder Spulen/Kondensator-Wert ist nur optimal für einen bestimmten Frequenzbereich, da diese Bauteilekombination immer nur einen Bandpass bildet, der für einen bestimmte Störsignalfrequenzbereich optimal arbeitet.
Will man nun dieses Signal zur Weiterverarbeitung abgreifen, ist wichtig, ob man dieses Signal nun sofort nach extern leiten will, oder intern weiter verwenden will. Schließt man die Kabel zwischen Chip und Filter an, und führt die Kabel aus dem Gehäuse raus, ist die ganze Filterung für den A* und man hat ganz schnell ein Störsignal im UKW-Bereich (88-110 Mhz ist für die Harmionischen von 16 MHz leicht zu erreichen!), und die Nachbarschaft hat bei gestörtem Radioempfang (und weiterem) durchaus immer noch die Möglichkeit, bei der Bundesnetzagentur einen Messwagen zu bestellen. Schließt man das Kabel zwischen Filter und Joystick-Stecker an, und führt das Signal wieder nach Innen, sind übrigens die Filter genauso für den A*.
Also, Vorsicht!